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2.5. Reaktionstypen

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2.5. Reaktionstypen

Reaktionstypen in der Organischen Chemie

Je nach topologischen Änderungen bei einer Reaktion unterscheidet man in der Chemie zwischen verschiedenen Reaktionstypen.

2.5.1. Substitutionsreaktion

2.5.1.1. Aliphatische Substitutionsreaktion

Bei einer Substitutionsreaktion wird ein Substituent Y gegen einen anderen Substituenten X ausgetauscht. Das angreifende Teilchen X ist in den meisten Fällen ein Nukleophil, es kann aber auch ein Elektrophil oder ein Radikal sein. Das Teilchen Y, welches das Molekül in Folge der Substitutionsreaktion verlässt, wird als Abgangsgruppe bezeichnet. In der folgenden Abbildung ist der Verlauf einer nukleophilen Substitutionsreaktion dargestellt.

Das angreifende Nukleophil muss notwendigerweise ein freies Elektronenpaar besitzen. Es kann sowohl negativ geladen sein, wie z.B. OH-, als auch ungeladen sein (z.B. NH3).

Bei einer aliphatischen Substitutionsreaktion kann zwischen zwei Fällen unterschieden werden:

  • SN2-Mechanismus
Bei einer SN2-Reaktion verlaufen Bindungsspaltung und Bindungsknüpfung konzertiert, d.h. gleichzeitig. Es handelt sich hierbei um eine einstufige bimolekulare Reaktion, die über einen trigonalen-bipyramidalen Übergangszustand verläuft. Im Gegensatz zur SN1-Reaktion ist die Reaktionsgeschwindigkeit in diesem Fall abhängig von der Konzentration des Eduktes und der des Nukleophils (d.h. von zwei Spezies). Den Mechanismus der SN2-Reaktion kann man sich wie das Umklappen eines Regenschirmes vorstellen. Da das Nukleophil stets von der gegenüberliegenden Seite der Abgangsgruppe angreift, erfolgt immer eine Inversion der Konfiguration. In der folgenden Abbildung ist der Mechanismus schematisch dargestellt.

  • SN1-Mechanismus
Beim SN1-Mechanismus findet zunächst der Schritt der Bindungsspaltung statt, wodurch als Zwischenstufe ein Carbeniumion entsteht. Dieses wird anschließend von dem Nukleophil angegriffen. Dabei handelt es sich um eine monomolekulare Reaktion, weil die Reaktionsgeschwindigkeit ausschließlich von der Bildung des Carbeniumions abhängt. Das bedeutet die Geschwindigkeit ist von der Konzentration des Eduktes (d.h. nur einer Spezies) abhängig. In der folgenden Abbildung ist der Mechanismus für eine SN1-Reaktion abgebildet.

Wie in der obigen Abbildung zu sehen, liegt das entstandene Carbeniumion trigonal-planar vor und kann dadurch entweder von der einen oder von der anderen Seite vom Nukleophil angegriffen werden. Greift das Nukleophil von der Seite an, an der zuvor die Abgangsgruppe war, so bleibt die Konfiguration erhalten (Produkt 1). Findet der Angriff von der gegenüberliegenden Seite statt so kommt es zu einer Inversion der Konfiguration (Produkt 2).

            

EXKURS: Stabilität von Carbeniumionen

Als Carbeniumion oder auch Carbokation wird in der organischen Chemie ein dreibindiges Kohlenstoffatom bezeichnet, welches ein Elektronensextett und damit ein freies p-Orbital besitzt. Dementsprechend hat es eine positive Ladung und eine planare Geometrie. Je nachdem wie viele Alkylreste an das Carbeniumion gebunden sind unterscheidet man zwischen primären, sekundären und tertiären Carbeniumionen. Die Stabilität nimmt in genau dieser Reihenfolge zu, da die positive Ladung durch den jeweiligen +I-Effekt des Alkylrestes stabilisiert wird. Allgemeiner ausgedrückt ist ein Carbeniumion umso stabiler desto mehr Substituenten einen +I/+M-Effekt besitzen. Ist beispielsweise in Nachbarstellung eine Vinylgruppe oder ein Arylrest, so ist das Carbeniumion mesomeriestabilisiert. Bezüglich der Einschätzung der relativen Stabilität von Carbeniumionen sind die mesomeren Effekte (M-Effekt) wichtiger als die induktiven Effekte (I-Effekt).

                               

2.5.1.2. Aromatische Substitutionsreaktionreaktionen

Neben den Substitutionsreaktionen bei aliphatischen Verbindungen können auch aromatische Verbindungen solche Reaktionen eingehen. Die wichtigsten Substitutionsreaktionen sind die elektrophile und die nukleophile aromatischen Substitution, welche im Folgenden genauer besprochen werden.

         

2.5.1.2.1. Elektrophile aromatische Substitutionsreaktionen (ArSE)

Während bei aliphatischen Verbindungen die Substitution meist durch einen nukleophilen Angriff stattfindet, reagieren Aromaten aufgrund ihres elektronenreichen  π-Systems bevorzugt mit Elektrophilen. Bei der Abgangsgruppe handelt es sich in der Regel um Wasserstoffatom, welches an den Aromaten gebunden ist. Bei dem Mechanismus handelt es sich um eine mehrstufige Reaktion. Zunächst bildet sich unter dem Verlust der Aromatizität eine σ-Bindung zwischen Aromat und Elektrophil. Als Zwischenprodukt entsteht der mesomeriestabilisierte σ-Komplex oder auch Wheeland-Komplex genannt. Anschließend erfolgt unter der Deprotonierung die Rearomatisierung des Systems. Der Mechanismus ist in der folgenden Abbildung dargestellt.

                           

2.5.1.2.2. Nukleophile aromatische Substitutionsreaktionen (ArSN)

Wie bereits im obigen Kapitel beschrieben gehen Aromaten infolge ihrer elektronenreichen π-Systeme bevorzugt Substitutionen mit Elektrophilen ein. Unter bestimmten Voraussetzungen können diese jedoch auch Reaktionen mit Nukleophilen eingehen. Zum einen muss die Elektronendichte im Aromaten durch einen  Substituenten mit -I/-M-Effekt herabgesetzt werden. Zudem muss eine geeignete Abgangsgruppe vorhanden sein, welche substituiert werden kann. Auch an dieser Stelle handelt es sich um eine mehrstufige Reaktion. Zunächst bildet sich eine σ-Bindung zwischen Nukleophil und Aromat unter gleichzeitigem Lösen einer π-Bindung im Aromaten. Als Zwischenprodukt wird ein sogenanntes Meisenheimer-Komplex-Analogon  erhalten, welches ein mesomeriestabilisiertes Carboanion erhält. Durch die Mitnahme der Bindungselektronen tritt die Abgangsgruppe aus, wodurch es zu einer Rearomatisierung des Systems kommt. In der folgenden Abbildung ist der Verlauf der nukleophilen aromatischen Substitution gezeigt.

Wie in der obigen Abbildung zu erkennen, ist bei der nukleophilen aromatischen Substitutionsreaktion das Vorhandensein einer Elektronenziehenden Gruppe (EWG) notwendig, welche das Meisenheimer-Komplex-Analogon stabilisiert.

2.5.1.2.3 Substituenten-Effekte

Sind bereits Substituenten an den Aromaten gebunden, so üben diese einen großen Einfluss bezüglich der Reaktivität des Aromaten und der Position bei einer Zweitsubstitution aus.
Wird die Elektronendichte des Aromaten erhöht, so nimmt auch die Reaktivität gegenüber Elektrophilen zu. Umgekehrt führt eine Erniedrigung der Elektronendichte zu einer niedrigeren Reaktivität (vgl. mit Benzol). Eine Erhöhung oder Erniedrigung der Elektronendichte kann durch induktive (+/- I) und mesomere Effekte (+/- M) bewirkt werden.

Darüber hinaus wirkt der Erstsubstituent dirigierend auf die Position des Zweitsubstituenten. Grund hierfür ist die Stabilität des σ-Komplexes (ArSE) bzw. des Meisenheimer-Komplex-Analogons (ArSN). Bei einer aromatischen Substitutionsreaktion wird stets der stabilere Komplex als Zwischenstufe entstehen. Beispielsweise dirigieren bei der elektrophilen aromatischen Substitutionsreaktion Substituenten mit einem +I/+M- Effekt in ortho- und para-Position, da in diesen Positionen beim entsprechenden σ-Komplex die positive Ladung bei einer mesomeren Grenzformel direkt am Erstsubstituenten sitzt und dadurch die größte Stabilisierung erfährt. Hingegen würde ein Substituent mit einem –I/–M-Effekt das meta-substituierte Produkt liefern, da die ortho-/para-Substitution die postivie Ladung im resultierenden σ-Komplex destabilisieren würde.

Quelle d. Abbildung: Brückner, Reaktionsmechanismen. Organische Reaktionen, Stereochemie, moderne Synthesemethoden, 3. Aufl., Spektrum, Akad. Verl., Berlin, Heidelberg, 2011. Überarbeitet gemäß Vorlesungsunterlagen / Tutoratsmaterial Organische Chemie 2020.
                    

Additionsreaktion

Bei einer Additionsreaktion wird ein Teilchen an eine Verbindung hinzugefügt, also „addiert“. Die Verbindung, an die das Teilchen addiert, besitzt in der Regel eine Mehrfachbindung, z.B. C=C oder C=O. Im Laufe der Reaktion wird eine π- und eine σ-Bindung gelöst und dafür zwei σ-Bindungen neu gebildet. In der folgenden Abbildung ist die Additionsreaktion schematisch dargestellt.

Bei der Additionsreaktion kann im Allgemeinen mehr als ein Produkt entstehen. Je nachdem in welcher Art und Weise das Teilchen an die Doppelbindung addiert wird können mindestens zwei Reaktionsprodukte entstehen. Dennoch kann es sein, dass eines dieser Produkte bevorzugt entsteht. Dies ist im Beispiel, welches in der folgenden Abbildung dargestellt wird, der Fall. Der erste Schritt der Addition besteht darin, dass ein Proton an die Doppelbindung addiert wird. Die positive Ladung, des dadurch entstandene Carbeniumion, kann je nach Lage des addierten H-Atoms entweder an dem einen oder an dem anderen C-Atom der ursprünglichen Doppelbindung liegen. Ist die Stabilität der beiden Carbeniumionen unterschiedlich, so entsteht in diesem Schritt bevorzugt das Stabilere der Beiden, was zur Bildung eines Haupt- und eines Nebenproduktes führt. Der letzte Schritt der Addition besteht im Angriff des Bromid-Ions.

Eliminierungsreaktion

Bei der Eliminierungsreaktion handelt es sich um die Umkehrung einer Additionsreaktion. Dabei wird ein Teilchen aus einer Verbindung abgespalten, also „eliminiert“. Dabei bildet sich im Allgemeinen eine Doppelbindung bzw. eine Dreifachbindung, falls die entsprechende Eliminierung an einer Doppelbindung abläuft. In der folgenden Abbildung ist die Eliminierungsreaktion schematisch dargestellt. In den meisten Fällen handelt es sich bei der Abgangsgruppe "X" um ein Heteroatom, wie beispielsweise Cl, und bei "Y" um ein H-Atom.

Im Folgenden betrachten wir die β-Eliminierung genauer. Je nachdem in welcher Reihenfolge die C-Het und und die C-H Bindung gebrochen werden, wird zwischen drei Eliminierungsmechanismen unterschieden:

           

  • E2-Eliminierung
Der Mechanismus der E2-Eliminierung ist analog zur SN2-Reaktion einstufig. Das bedeutet, dass beide Bindungen gleichzeitig gebrochen werden. Im Übergangszustand sind die C-Het- und die C-H-Bindung parallel zueinander ausgerichtet. Grund hierfür ist eine, bereits im Übergangszustand auftretende, Umhybridisierung der vorher sp3-hybridisierten C-Atome zu sp2 (vgl. unten folgende Abbildung). Hierbei kommt es bereits zu einer Überlappung der 2pz-ähnlichen Atomorbitale. Derartige Wechselwirkungen treten sowohl bei der syn- als auch bei der anti-Eliminierung auf. Bei der syn-Eliminierung kommt es zu höheren sterischen Wechselwirkungen zwischen den Substituenten. Wenn eine Eliminierung sowohl über den syn- als auch den anti-Übergangszustand verlaufen kann, so beobachtet man nahezu ausnahmslos die anti- und nie die syn-Eliminierung.

                      
                      

  • E1-Eliminierung
Findet der Bindungsbruch in zwei Teilschritten statt, bedeutet dies, dass zuerst die eine Bindung und danach die andere Bindung gebrochen wird, somit handelt es sich um eine zweistufige Reaktion. Diese kann entweder über den E1- oder den E1cb-Mechanismus ablaufen.
Bei der E1-Eliminierung findet zunächst der Bindungsbruch C-Het statt. Als Intermediat entsteht dabei ein Carbeniumion. Im Anschluss wird das Proton abgespalten.

                      

  • E1cb-Eliminierung
Beim E1cb-Mechanismus ist die Reihenfolge umgekehrt. Hier wird zuerst die C-H-Bindung gelöst, wodurch ein Carbanion entsteht. Anschließend wird die C-Het Bindung gespalten. Dieser Eliminierungmechanismus ist jedoch nur möglich, wenn eine Elektronenziehende-Gruppe (EWG) an das Carbanion gebunden ist und damit die entstandene negative Ladung stabilisiert.

Bsp. ß-Eliminierung von HCl

Eliminierungsprodukte 

Regioselektivität

Wie im obigen Beispiel zu erkennen, kann bei einer Eliminierung mehr als ein mögliches Produkt entstehen. Wenn ein Heteroatom z.B. Cl an ein sekundäres C-Atom gebunden ist, so kann mehr als ein Eliminierungsprodukt entstehen. Dennoch kann die Reaktion bevorzugt in eine Richtung, d.h. regioselektiv, ablaufen. Wenn eine Eliminierung zwei Produkte liefert, deren Doppelbindung unterschiedliche viele Alkylsubstituenten enthalten, so unterscheidet man zwischen dem Hofmann- und dem Saytzew-Produkt. Das Hofmann-Produkt ist dasjenige mit der niedriger alkylierten Doppelbindung, das Saytzew-Produkt das mit der höher alkylierten Doppelbindung. Da eine C=C-Doppelbindung durch Alkylsubstituenten stabilisiert wird, wird im Allgemeinen bevorzugt das Saytzew-Produkt gebildet.

Dennoch sei darauf verwiesen, dass die Sperrigkeit der eingesetzten Base einen hohen Einfluss auf die Regioselektivität (Hofmann/Saytzew) der Eliminierung hat. Sterisch anspruchsvolle Basen, wie z.B. NaO-t-Bu in unten folgender Grafik, greifen das sterisch zugänglichere H-Atom an und liefern damit bevorzugt das Hofmann-Produkt.

                      
Quelle d. Abbildung: Brückner, Reaktionsmechanismen. Organische Reaktionen, Stereochemie, moderne Synthesemethoden, 3. Aufl., Spektrum, Akad. Verl., Berlin, Heidelberg, 2011. Überarbeitet gemäß Vorlesungsunterlagen / Tutoratsmaterial Organische Chemie 2020.
                         

Stereoselektivität

Eine weitere Selektivität, welche im Beispiel beobachtet werden kann, ist die, dass ausschließlich das Z-Isomer als Hauptprodukt auftritt. Grund hierfür ist der E2-Mechanismus, nachdem diese Eliminierung abläuft. Wie bereits im obigen Abschnitt beschrieben, sind im Übergangszustand das Cl- und das H-Atom bevorzugt anti zueinander ausgerichtet. Aus dieser Konformation entsteht ausschließlich das Z- und nicht das E-Isomer.

In der untenstehenden Abbildung ist die, für die Eliminierung bevorzugte, Konformation und das dadurch entstehende Isomer dargestellt.

Redoxreaktion

Bei einer Redoxreaktion werden Elektronen von einer Verbindung auf eine andere übertragen. Dabei finden zwei Prozesse statt. Ein Oxidationsmittel nimmt bei der Redox-Reaktion Elektronen auf und wird dadurch selbst reduziert. Dementsprechend ist ein Reduktionsmittel eine Verbindung, die während der Redox-Reaktion Elektronen abgibt und damit selbst oxidiert wird.

Um herauszufinden, ob eine Verbindung oxidiert bzw. reduziert wird, bestimmt man die sogenannten Oxidationszahlen.

Oxidationszahlen einer Verbindung

Für jedes Atom einer Verbindung wird dessen Oxidationszahl bestimmt. Dabei betrachtet man alle Nachbaratome bzw. genauer deren Elektronegativität (EN). Ist die EN des Nachbaratoms höher so gehen alle Bindungselektronen zu diesem. Ist die EN niedriger als jene des betrachteten Atoms, so fallen die Bindungselektronen diesem zu. Anschließend werden alle Elektronen (einschließlich der nicht bindenden Elektronenpaare) für das Atom gezählt. Die Oxidationszahl ergibt sich wie folgt:

Beispiel:

Da Sauerstoff das Element mit der zweit höchsten Elektronegativität ist, fallen in der Regel beide Bindungselektronen diesem zu. Daher hat Sauerstoff in den meisten Fällen die Oxidationsstufe -II.

Wurden für sämtliche Atome einer Reaktion die Oxidationszahlen bestimmt, so kann nun festgestellt werden, ob eine Verbindung reduziert (Oxidationszahl sinkt) oder oxidiert (Oxidationszahl steigt) wurde. 

Beispiel: 
Teilgleichungen aufstellen: Oxidations- und Reduktionsgleichung bestimmen.
Elektronenanzahl der jeweils aufgenommenen bzw. abgegebenen e zu den Teilgleichungen hinzufügen.
Ladungen und Atome ausgleichen (saures Milieu H3O+/H2O oder alkalisches Milieu OH/H2O).
Elektronenanzahl der Teilgleichungen untereinander ausgleichen.
Teilgleichungen zur Redox-Gleichung addieren. Dabei werden e, H3O+ (bzw. OH) und H2O so weit wie möglich gekürzt.

Übungsaufgaben

Aufgaben zu 
Additions- & Eliminierungsreaktion
Aufgaben zu Redoxreaktion
Aufgaben zu Substitutionsreaktion
     

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2.6. Biochemie-Exkurs: Aminosäuren
Hinweis: Hier Verlinkung zu ebenfalls verfügbarem OER-Kurs "Biochemie-Exkurs: Aminosäuren (ILIAS-Kurs)"

http://hdl.handle.net/10900.3/OER_XKOVPFWW
  

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