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Digitale Bewegungsanalyse im Sportunterricht

Denise Röderer, Armin Fabian und Julia Hapke
Definition - worum geht’s?

Digitale Medien, darunter Programme zur digitalen Bewegungsanalyse, erfreuen sich mittlerweile auch im Bereich der Bewegungs-, Spiel- und Sportkultur großer Beliebtheit und werden vielfältig eingesetzt. Hierbei werden unter dem Begriff „digitale Bewegungsanalyse“ computerbasierte Programme zusammengefasst, mit deren Hilfe sportliche Aktivitäten aufgezeichnet und anschließend digital bearbeitet, analysiert und evaluiert werden können. Ihr Einsatz im Sportunterricht ist daher besonders naheliegend, da detaillierte Einblicke in die Bewegungsabläufe von Schülerinnen und Schülern gewährt und kognitive Denkprozesse angeregt werden können. Auf diese Weise wird der pädagogische Leitgedanke nach operativer und reflexiver Handlungsfähigkeit im Sport aufgegriffen, der im aktuellen Bildungsplan verankert ist.

Für die Aufnahme, Bearbeitung und Analyse von Bewegungsabläufen eignen sich unterschiedliche Softwareprogramme, die den Lernenden verschiedene Funktionen zur Verfügung stellen: Die Aufnahmen können beispielsweise in beliebiger Geschwindigkeit oder zeitgleich mit einem weiteren Video abgespielt werden. Weiterhin ist es möglich, einzelne Aspekte der Bewegung graphisch hervorzuheben, mit Zeit- und Winkelmessern zu operieren oder das Video mit Text und Audiokommentaren zu versehen, um ein individualisiertes Feedback mit digitalen Medien zu geben.
Funktionen für das Lernen  - was wird ermöglicht / unterstützt?
Applikationen zur digitalen Bewegungsanalyse können im Sportunterricht vielfältig eingesetzt werden und eignen sich zur vertieften Auseinandersetzung mit sowohl technischen als auch taktischen Fähigkeiten und Fertigkeiten in der Sport- und Bewegungskultur. Sie ermöglichen eine starke Schülerzentrierung und eine aktive Rolle der Lernenden. Durch die selbstständige und eigenverantwortliche Analyse der Bewegung, die in Einzelarbeit oder in Kleingruppen erfolgt, wird den Schülerinnen und Schülern mehr Verantwortung über ihren Lernprozess gegeben: Sie können nicht nur entscheiden, wann, wie oft und wie detailliert die digitale Bewegungsanalyse erfolgt, sondern auch eigene Stärken und Schwächen erkennen. Durch den Perspektivwechsel von der Rolle des Sporttreibenden in die Rolle des Zuschauenden wird außerdem die Eigenwahrnehmung der Lernenden geschult.

Weiterhin ist es möglich, die Aufmerksamkeit der Lernenden bei der Bewegungsanalyse auf zentrale Aspekte der Bewegung zu lenken. Hierfür kann die Lehrperson den Schülerinnen und Schülern beispielsweise kriteriengeleitete Beobachtungsbögen zur Verfügung stellen, anhand welcher sie ihre Bewegungsqualität beurteilen und Fehlerbilder herausarbeiten können. Für eine bessere Visualisierung sowie eine detailliertere Analyse eignet sich u. a. das Einfügen graphischer Formen, Linien und Winkel in die Videos.

Darüber hinaus bietet es sich an, die Bewegungsausführungen der Lernenden mit einem optimalen Bewegungsablauf zu vergleichen. In vielen Applikationen können zu diesem Zweck zwei Videos – z.B. das aufgenommene Video sowie ein Good-Practice-Video - nebeneinander abgespielt werden, was Ausführungsunterschiede ersichtlich macht. Diese können von den Schülerinnen und Schülern selbstständig herausgearbeitet und sprachlich belegt werden. Durch die Funktion des sog. Splitscreens ist es außerdem möglich, einen Vorher-Nachher-Vergleich vorzunehmen, der Leistungsverbesserungen aufzeigt. Diese Sichtbarmachung eines optimierten Bewegungsablaufs kann individuelle Lernprozesse deutlich machen und damit auf die Schülerinnen und Schüler motivierend wirken sowie ihre Selbstwirksamkeitserwartung erhöhen.

Obendrein eröffnen sich durch den Einsatz digitaler Bewegungsanalysen Möglichkeiten der Binnendifferenzierung und Individualisierung. Nach der Bewegungsausführung wird jedem Lernenden ein sofortiges und personalisiertes Feedback zur Verfügung gestellt, was ohne das digitale Medium von einer einzelnen Lehrperson oft nicht gewähreistet werden kann. Weiterhin macht die detaillierte Auseinandersetzung mit dem eigenen Bewegungsablauf individuelle Fehlerbilder sichtbar, auf die im Anschluss separat eingegangen werden kann. Durch die Orientierung an dem tatsächlichen und individuellen Leistungsstand der einzelnen Schülerinnen und Schüler, können diese sich schneller verbessern und ihre Bewegungsabläufe optimieren.
 
Gelingensbedingungen für den erfolgreichen Einsatz - wann funktioniert’s und wann nicht?

Um einen erfolgreichen Einsatz digitaler Bewegungsanalysen im Sportunterricht zu gewährleisten, ist eine angemessene Vorbereitung notwendig. Zunächst muss durch die Lehrperson eine Equipmentauswahl getroffen, die Ausstattung in der Sporthalle geprüft und die Software auf den Tablets oder Smartphones installiert werden.

Ferner ist es notwendig, dass die Schülerinnen und Schüler schrittweise zum selbst-kontrollierten Lernen herangeführt und durchgehend von der Lehrperson begleitet werden. Damit kognitive Denkprozesse tatsächlich angeregt werden, sollten den Lernenden außerdem die Kriterien für die Bewegungsanalyse bekannt sein. Hierfür eignen sich u. a. die Bereitstellung von Lernaufgaben oder eines Videos mit optimalem Bewegungsablauf. Ferner bietet es sich an, den Fokus auf wenige zentrale Aspekte der Bewegung zu legen, damit eine kognitive Überforderung der Schülerinnen und Schüler vermieden wird. Darüber hinaus empfiehlt sich eine angemessene Nachbesprechung der Bewegungsanalysen, um das selbstständig erarbeitete Wissen und Können der Schülerinnen und Schüler zu überprüfen und zu festigen. Zudem ist auf ein ausgewogenes Wechselspiel zwischen reflexiven Phasen und aktiven Bewegungsphasen zu achten, damit eine Übertragung der neu gewonnenen Kenntnisse auf die Bewegungsausführung gewährleistet werden kann.
Applikationen und Softwareprogramme zur digitalen Bewegungsanalyse im Sportunterricht
     
Weitere Informationen zum Thema digitale Bewegungsanalyse im Sportunterricht finden sich im Video:
Literatur - Evidenz

Kok, M. & Van der Kamp, J. (2018) Adopting self-controlled video feedback in physical education: a way to unite self-regulation skills, motivational beliefs, and motor skill learning. In: J. Koekoek & I. van Hilvoorde (Hrsg.): Digital Technology in Physical Education. Global Perspectives (Routledge Studies in Physical Education and Youth Sport Ser), S. 32-47. Milton: Routledge.

Hapke, J. & Waigel, S. (2019): "Sporttreiben mit Köpfchen" - Kognitive Aktivierung im Sportunterricht. In A. Gawatz & K. Stürmer (Hrsg.), Kognitive Aktivierung im Unterricht. Befunde der Bildungsforschung und fachspezifische Zugänge, S. 148-162. Braunschweig: Westermann Gruppe.

O'Loughlin, J., Ní Chróinín, D. & O'Grady, D. (2013). Digital video: The impact on children’s learning experiences in primary physical education. In European physical education review: EPER, 19(2), S. 165-182. https://doi.org/10.1177/1356336X13486050.

Zitiervorschlag:

Röderer, D., Hapke, J. & Fabian, A. (2020, Juli). Digitale Bewegungsanalyse im Sportunterricht. In Digitalisierung in der Lehrerbildung Tübingen (TüDiLB) (Hrsg.), Evidenzbasierte Hinweise zum Einsatz digitaler Medien im Lehr-Lernkontext.
Inhaltlich aktualisiert am 20.07.2020

Last edited: 7. Jul 2021, 14:45, [i.rudolf]