EXKLUSIV aus dem FRAU weiß-Testlabor (1)

Schokolade –die letzten Rätsel

Von Julia Pöhlmann

Kann man schokoladensüchtig sein? Schmeckt Schweizer Schokolade besser? Und gibt es einen Unterschied zwischen Voll- und Alpenmilch? Fragen, die schon Generationen von Genießern bewegten, werden endgültig geklärt. Grundlage dafür bildet eine groß angelegte Geschmacksstudie mit freiwilligen Probanden in den Redaktionsräumen zur Mittagspause. Hier wurden unter strenger Aufsicht wissenschaftliche Fragebögen ausgefüllt und anschließend von einer erfahrenen Expertin ausgewertet. Alles über die verblüffenden Ergebnisse erfahren Sie hier.

Das Wichtigste zuerst: Man muss nicht in die Schweiz fahren, um wirklich gute Schokolade zu kaufen. Nur knapp zwei Drittel aller Tester konnten in einer Blindstudie erschmecken –vielleicht sollte man besser sagen erraten, welche von zwei ansonsten identischen Sorten aus der Schweiz stammt. Die männlichen Probanden bewiesen hier mit 100 Prozent richtigen Versuchen deutlich mehr Treffsicherheit und zudem mehr Patriotismus, da sie beide die deutsche Schokolade als wohlschmeckender empfanden.
Derart beruhigt und mit der jeweiligen Lieblingssorte aus dem (hoffentlich wohlgefüllten) Vorratsschrank versorgt, konzentrieren wir uns auf die nächste Erkenntnis:
Einer gängigen Theorie zufolge steigt die Toleranz gegenüber Bitterschokolade mit dem Alter. Unsere älteste Probandin war 49 Jahre und fühlte sich nicht in der Lage, die 50 Prozent-Grenze beim Kakaoanteil (ab hier heißt Schokolade halbbitter) zu überschreiten, ohne enormes kulinarisches Missbehagen zu vermelden. Eine 22jährige Teilnehmerin fand dagegen bis 99 Prozent Kakaoanteil "alles lecker".
Fazit: Gefallen an Bitterschokolade und Alter sind nicht korreliert. (Obwohl es natürlich möglich ist, dass unsere "Seniorprobandin" in ihrer Jugend nur weiße Schokolade genossen hat und inzwischen immerhin bei Vollmilch angekommen ist.)
Ob man allerdings Vollmilch oder Alpenvollmilch zu sich nimmt, scheint auf den ersten Blick egal zu sein. Bei einer Sorte stehen die Kühe auf der Alm, bei der anderen im Stall – das kann doch keinen großen Unterschied machen. Denken Sie!
Interessanterweise erschmeckten drei Viertel der Tester einen deutlichen Unterschied zwischen den Sorten Voll- und Alpenmilch. Ob das wirklich an der Milch liegt, an den durch vorherige Probe geschulten Geschmacksnerven oder ob es sich um einen sogenannten Placebo-Effekt handelt, ausgelöst durch die Abbildung eines Milcheimers auf der Alpenmilchtafel, ist allerdings umstritten.
Genauso umstritten ist unter Kennern das Thema weiße Schokolade. "Weiße Schokolade ist was für Schwächlinge", meint ein führender Experte auf dem Gebiet des Bitterschokoladenkonsums. Softies und überstylte Mädchen haben seiner Ansicht nach eine Vorliebe für weiße Schokolade.
Sehen wir nach, was die Auswertung der Testbögen ergibt. Grundsätzlich hält niemand weiße Schokolade für "doof". (Die Ankreuzmöglichkeit "ist nur was für Mädchen" wurde auf Anraten der Ethikkommission schon vor Ausgabe der Testbögen entfernt.) Einer der beiden männlichen Probanden fand weiße Schokolade immerhin genauso lecker wie alle anderen. Dieser Mann ist aber Vegetarier, das heißt keineswegs repräsentativ. Bei den restlichen Probanden dominierten Antworten wie "im Notfall" oder "ist halt keine echte". Nur 12,5 Prozent der Teilnehmer und damit eine Person beurteilte weiße Schokolade als "richtig lecker".
Gegen Ende wurde ein äußerst brisantes Thema angeschnitten: Suchtpotenzial bei übermäßigem Kakaogenuss. 75 Prozent der Befragten halten Schokoladensucht für möglich, gaben aber an, Schokolade lediglich "mehrmals pro Woche", "seltener" oder "noch seltener" zu sich zu nehmen und schätzen sich damit selbst nicht als süchtig ein.
Lediglich einer der Probanden glaubt von sich, süchtig zu sein, glaubt aber gleichzeitig nicht, dass es eine Krankheit wie Schokoladensucht überhaupt gibt! Sie brauchen sich nicht zu wundern, es ist der Vegetarier. (Warten Sie auf das Ergebnis unserer laufenden Studie "Schadet Fleischersatz dem logischen Denken?", das in der nächsten Ausgabe veröffentlicht wird.)
Zuallerletzt ein Blick auf den gesundheitlichen Aspekt. Wer sich um seine Vitalität sorgt, ist möglicherweise geneigt, zu Schokolade aus kontrolliert biologischem Anbau zu greifen, die mit überraschender Marken- und Sortenvielfalt in Naturkostgeschäften oder Weltläden zu erstehen ist. Hält diese Schokolade, was sie verspricht? Immerhin 12,5 Prozent der Teilnehmer (eine ganze Person) fühlte sich nach dem Genuss von Bioschokolade gesünder. Ein knappes Drittel der Versuchspersonen und die Hälfte der männlichen Mitesser fand Bioschokolade genauso lecker wie konventionell hergestellte. (Sie ahnen, welcher der Männer hier pro bio entschieden hat…).
Die übrigen Teilnehmer, soweit sie noch teilnahmen, zeigten erste deutliche Anzeichen von Unwohlsein, was allerdings kaum auf den Genuss der Bioschokolade zurückzuführen sein dürfte. Vielmehr auf die Tatsache, dass besagte Tafel die letzte in einer langen (langen) Reihe war…
Die meisten Tester fühlten sich bereits so ungesund, dass auch die wertvollen Inhaltsstoffe der Naturkosttafel keine Linderung mehr bringen konnten. Doch einen Versuch ist es wert: Probieren Sie eine Komposition von edlen Kakaobohnen aus Freilandhaltung, sanft veredelt mit glücklichem Roh-Rohrzucker, aufgezogen unter seinen natürlichen Lebensverhältnissen. Die Probanden waren zu voreingenommen bzw. hatten zu viel zuvor eingenommen, um diesen kulinarischen Höhepunkt würdigen zu können. Einige von ihnen verwiesen im übrigen auf bizarre Lieblingssorten, die auf konsequente Geschmacksnervenwarnsignalmissachtung schließen lassen: Rhabarberjoghurt, Brauseluftschokolade und ähnliches. Aber wer hört schon auf Vegetarier…

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