Allergien - eine Plage unserer Zeit?

Von Julia Pöhlmann

Viele leiden darunter, doch die wenigsten verstehen, warum: Allergien sind eine Fehlfunktion unseres Immunsystems. Doch wie kommt es dazu? Und wie kann man vorbeugen? Unsere Recherche ergab: Es sind noch nicht alle Rätsel gelöst.

Allergien gibt es schon seit über viertausend Jahren. Der erste dokumentierte Allergiker dürfte wohl Pharao Menes gewesen sein. Er starb im Jahr 2604 vor Christus an einem Wespenstich. Heute würde Menes eine solche Attacke sicherlich überleben, denn er wäre wahrscheinlich mit genügend Antiallergika ausgestattet. Und er hätte viele Leidensgenossen: Fast jeder dritte Deutsche leidet ärztlichen Schätzungen zufolge unter einer Allergie.
Doch was genau ist eigentlich eine Allergie - und worauf reagiert der Allergiker? Und was bedeutet bloß das ominöse Wort "Pseudoallergie", das in beinahe jedem aktuellen Bericht zum Thema auftaucht?
"Grundsätzlich unterscheidet man zwei verschiedene Reaktionen, einmal die Sensibilisierung und die allergische Reaktion", erklärt der Immunologe Professor Gerhard Metzner von der Universität Leipzig.Eine Sensibilisierung ist eigentlich ein normaler Vorgang des Abwehrsystems und damit ein Schutzmechanismus. Gegenüber harmlosen fremden Substanzen soll der Organismus eigentlich so reagieren, dass er sie toleriert. Schließlich nehmen wir täglich, beispielsweise mit der Nahrung, eine Vielzahl von Fremdstoffen auf. Entwickelt ein zukünftiger Allergiker dagegen seine Allergie, so reagiert das Immunsystem mit unangemessenen Abwehrreaktionen auf einen völlig harmlosen Fremdstoff. Es löst eine Entzündungsreaktion aus, bildet Antikörper gegen den Stoff und baut ihn ab. Eine Allergie ist damit eine Überreaktion des Immunsystems. Bei jedem weiteren Kontakt mit dem Allergie auslösenden Stoff kommt es ab sofort zur allergischen Reaktion. Die Auslöser für diese Reaktion nennt man Allergene. Blütenpollen, Hausstaubmilbenkot und Katzenhaare gehören zu den bekanntesten Allergenen.
David Schmutzler, Tübinger Biologiestudent, veranschaulicht: "Zumeist sind es Proteine, also Eiweiße, die als Allergene wirken. Das liegt daran, dass sie aus vielen kleineren Bestandteilen, aus Aminosäuren, bestehen." Ihr Aufbau sei kompliziert und lasse sich mit dem von Texten vergleichen: Die Aminosäuren sind die Buchstaben. Aus ihnen werden Wörter gebildet: Aminosäureketten. Daraus baut man dann Sätze (Ketten verbinden sich), und schließlich ergibt das ganze einen Text (das Protein). Diese riesigen Moleküle seien sehr organismusspezifisch, erklärt Schmutzler. "Der Körper erkennt schnell, ob ein Eiweiß ein eigenes oder ein Fremdkörper ist." Das Immunsystem eines Organismus soll diesen aber vor eindringenden Krankheitserregern schützen, deshalb erregen zum Beispiel Proteine aus Bakterien oder leider auch Pollen eine Immunantwort.
Was dann genau abläuft, erklärt Prof. Metzner so: "Es tritt eine sehr schnelle Reaktion auf. Das Allergen wird ins Gewebe aufgenommen. Mastzellen setzen Mediatoren frei, darunter versteht man die Vermittler von Krankheitssymptomen. Diese lösen die typischen Reaktionen wie Augentränen, Niesanfälle, Atemnot und ähnliches aus." Diese Reaktionen dienen normalerweise dazu, ein Allergen schnell wieder aus dem Körper zu entfernen. Bei harmlosen Auslösern sind sie allerdings sinnlos - und lästig obendrein.
Bei der Pseudoallergie dagegen ist das Immunsystem nicht beteiligt; es werden keine Antikörper gebildet. Es erfolgt eine Ausschüttung von Entzündungsmediatoren, ohne dass ein Allergen ins Gewebe aufgenommen wurde und die Immunantwort ausgelöst hat. Das bedeutet, der Patient hat dieselben Symptome wie ein Allergiker, muss aber anders therapiert werden: Er muss durch Versuch und Irrtum herausfinden, auf welchen Stoff - meist sind es synthetische Substanzen wie Farb- und Konservierungsstoffe - er pseudoallergisch reagiert und diesen dann meiden.

Die möglichen Ursachen: Gene, Würmer, Reinlichkeit

Doch ist die eigentliche Allergie schon rätselhaft genug. Woher kommt dieses Fehlverhalten des Immunsystems? Wie kommt es auf die Idee, harmlose Proteine derart vehement zu bekämpfen? Für Professor Metzner liegt die Antwort in genetischen Ursachen. "Es ist erwiesen, dass Kinder von Allergikern ein deutlich größeres genetisches Potenzial haben, ebenfalls an einer Allergie zu erkranken." Damit ist nicht gesagt, dass die Allergie auch ausbricht.
Woher allerdings die massive Zunahme allergischer Erkrankungen in den letzten zehn Jahren kommt, kann der Professor nicht erklären. Gab es plötzliche Mutationen in dieser Größenordnung? "Darüber können wir nur spekulieren. Aber es bestehet die Hoffnung, in Zukunft den genetischen Allergiker, das heißt jemanden mit ererbtem allergischen Potenzial, schon im Vorfeld identifizieren zu können, also bevor tatsächlich eine Allergie ausbricht. Das gibt uns möglicherweise wertvolle Hinweise für eine bessere Prophylaxe."
Für sein Erbgut ist schließlich niemand verantwortlich. Wie kann man sich also überhaupt davor schützen, eine Allergie zu entwickeln? "Dass Sie erblich vorbelastet sind, bedeutet längst nicht, dass Sie tatsächlich an einer Allergie erkranken", stellt der Immunologe richtig. Es seien auslösende Faktoren notwendig, um die Krankheit entstehen zu lassen. "Wer nie mit Katzen oder Katzenhaaren in Berührung kommt, wird auch keine Katzenallergie entwickeln." Das bedeutet allerdings nicht, dass die Umgebung des potenziellen Allergikers steril sein müsste. Eine Stimulanz des Immunsystems durch Fremdkörper und Keime kann sich sehr positiv auswirken, wie wir noch sehen werden.
Weitere Präventionsmaßnahmen werden vor allem für Kinder empfohlen. So sei es in jedem Fall vorteilhaft, Kinder möglichst lange zu stillen und in den ersten Lebensjahren des Kindes keine Haustiere zu halten "Allerdings ist der kausale Zusammenhang hier nicht nachgewiesen, das sind nur Hypothesen; für die einen mehr , für die anderen weniger relevant", erläutert Professor Metzner.
.Dr. Werner Bauch, Pharmazeut und Journalist aus Hamburg, bestätigt dies. "Es gibt in der Tat keine eindeutige Erklärung dafür, warum jemand an einer Allergie erkrankt." Als mögliche relevante Ursache sieht er den westlichen Lebensstil an. Darunter versteht Bauch "die übermäßige Verabreichung von Antibiotika sowie eine mangelhafte Immunstimulanz". Die Abhärtung im Kindesalter fehle, erklärt er Mitredakteur am "Weißbuch Allergie" und verweist auf eine entsprechende Studie zu Thema:
Nach dem Mauerfall verglichen Wissenschaftler die Allergiehäufigkeit in alten und neuen Bundesländern und kam zu dem Ergebnis, dass Vorschulkinder in Ostdeutschland wesentlich seltener unter Allergien litten als ihre westdeutschen Altersgefährten. Eine weitere Beobachtung ergab, dass ostdeutsche Kinder dafür häufig mit Wurmerkrankungen zu kämpfen hatten.
Einige Wissenschaftler sehen hier einen Kausalzusammenhang. Ihre Theorie besagt, dass das Immunsystem gefordert werden müsse, um leistungsfähig zu bleiben. Sieht sich nun der Organismus mit zu wenig Erregern und Parasiten konfrontiert, wird das Immunsystem nicht etwa faul, sondern sucht sich neue Betätigungsfelder -Hobbys sozusagen. Und das sind keine anderen als die oben beschriebenen Allergien.
"Nach der Wende haben die neuen Bundesländer in punkto Allergiehäufigkeit bei Kindern allerdings sehr schnell aufgeholt - hier hat die Wiedervereinigung wirklich funktioniert", so Werner Bauch ironisch.
Vielleicht war auch Menes' Immunsystem unterfordert - schließlich ist nirgendwo überliefert, dass der Pharao mit Wurmerkrankungen zu kämpfen hatte ...
Experte Bauch nennt noch einen weiteren allergiebegünstigenden Faktor, der vor allem in Gegenden mit hohem Verkehrsaufkommen zum Tragen kommt: "Es gibt die These, dass sich Allergene an Russpartikel aus Dieselmotoren anheften. Je höher also das Verkehrsaufkommen, desto größer ist auch die Allergen-Konzentration in der Luft."
Was also kann man zur Prophylaxe tun? "Lassen Sie ihre Kinder Erfahrung mit Schmutz und Keimen machen. Früher haben die Kinder im Dreck gespielt und Allergien kamen kaum vor. Der beste Ort, um Kinder gesund aufwachsen zu lassen, ist wahrscheinlich ein Bauernhof." Wem das zu teuer ist, der kann auch über die Anschaffung eines Haustieres nachdenken oder ein Gartengrundstück pachten.

Wird der Heuschnupfen eingeimpft?

Da Entstehung und Ausbreitung von Allergien nach wie vor viele Rätsel aufgeben, versuchen sich auch Alternativ-Mediziner an einer Antwort. Der praktizierende Homöopath Dr. Joachim F.Grätz aus Starnberg ist überzeugt, dass alle Allergien als Folge von Impfungen entstehen. Grätz erklärt, wie er zu seiner Ansicht kommt: "Der erste Heuschnupfen wurde Anfang des 18. Jahrhunderts in London nachgewiesen. Seit 1796 wird dort gegen Pocken geimpft. Erkrankungen wie Neurodermitis waren in den Fünfzigern so gut wie unbekannt. Heute ist jedes vierte bis fünfte Kind Allergiker. Sehen Sie den engen zeitlichen Zusammenhang zwischen Impfung und Allergieausbreitung, beziehungsweise zwischen Massenimpfung und massiver Allergiezunahme?"
Die Prophylaxe läge in diesem Fall auf der Hand: Kinder und Erwachsene dürften nicht mehr geimpft werden. Brisante Folge wäre allerdings die Rückkehr schwerer Infektionskrankheiten wie Masern, Diphtherie und Keuchhusten. Darum würden Schulmediziner dieser Empfehlung sicherlich widersprechen!
Für welchen Schutz und im schlimmeren Fall auch für welche Therapiemaßnahmen der einzelne sich entscheidet, sollte er im Gespräch mit einem Arzt seines Vertrauens klären. Auf die leichte Schulter darf man das Thema allerdings nicht nehmen, denn eines steht fest: Allergien sind keine Bagatellerkrankung. Sonst hätte Pharao Menes sicher ein rühmlicheres Ende gefunden. Obwohl man als erster Allergiker der Geschichte auch durchaus zum Mythos werden kann.
Übrigens sind nicht alle der Ansicht, der Pharao sei tatsächlich an einem allergischen Schock gestorben. Anhänger der oben beschriebenen Impfthese glauben vielmehr an einen Erstickungstod des Pharaos. "Das Tier hat ihn wahrscheinlich in den Rachen gestochen, der daraufhin zugeschwollen ist", so Dr. Grätz.

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